Artist: Reinhard Mey
Album: Keine ruhige Minute
Song: Dr. Nahtlos, Dr. Sägeberg und Dr. HeinLyricsMX.com - Dr. Nahtlos, Dr. Sägeberg und Dr. Hein (Reinhard Mey)
Submitted By: Alex1*

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Ja, da war es plötzlich wieder, dieses Augenzucken,
In Verbindung mit dem eigenwill'gen Daumenjucken,
Das ich immer kriege, eh' es einen Schneesturm gibt,
Oder wenn ich stockbetrunken bin, oder verliebt.
Diesmal dacht' ich mir: «Du nimmst doch deine Daumenschäden
Viel zu leicht, nun geh' doch endlich mal zum Orthopäden!»
Und so ging ich tags darauf zu Dr. Sägeberg,
Der spuckte in die Hände und machte sich ans Werk:
«Tief einatmen, Hände hoch und runter mit der Hose,
So - bitte recht freundlich!» Fertig war die Diagnose.
«Tja», sagte er, «Ihr Gelenkmoment ist ziemlich groß,
Und Ihr Zustand ist bedenklick, doch nicht hoffnungslos:

Ihr Jejunum ist gebogen und Ihr Nabelbein zu lang,
Ihr Apendix überzogen und Ihr Plexus nicht in Gang,
Ihre Blase geht nach oben und Ihr Magen geradeaus,
Ihre Galle ist verschoben, und Ihr Knorpelfell muß raus.
Keine Angst, das ha'm wir gleich, das geht ganz schmerzlos und ganz schnell.
Bitte Schwester Hildegard, Skalpell!»

Heftig wehrt' ich mich, doch er wollte erst von mir lassen,
Als ich fragte: «:Nehmen Sie auch alle Krankenkassen?»
«Hm, das ist so», sagte er, «ein schwier'ger Fall wie Sie,
Muß zu Dr. Nahtlos in die Neurochirurgie.
Der hat die modernste Klinik, und zur Prophylaxis,
Hat er sogar einen eig'nen Friedhof bei der Praxis.
Der ist als Kapazität bekannt in aller Welt,
Tragisch ist nur, daß er sich für Uwe Seeler hält!»
Ich sah Dr. Nahtlos und verstand, der war noch schlimmer:
Grad' flankt er 'nen Knochen vom OP ins Wartezimmer,
Pfiff' auf seiner Trillerpfeile, sah mich selig an:
«Ja, mein Bester, klinisch sind Sie längst ein toter Mann:

Ihr Jejunum ist gebogen und Ihr Nabelbein zu lang,
Ihr Apendix überzogen und Ihr Plexus nicht in Gang,
Ihre Blase geht nach oben und Ihr Magen geradeaus,
Ihre Galle ist verschoben, und Ihr Knorpelfell muß raus.
Keine Angst, das ha'm wir gleich, das geht ganz schmerzlos und ganz schnell.
Bitte Schwester Eberhard, Skalpell!»

Ich entkam den beiden, als sie eine Münze warfen:
«Operier'n wir mit den stumpfen oder mit den scharfen?»
Dann fiel mir der Rat eines verstorb'nen Nachbarn ein:
«Geh' doch mal ins Uniklinikum zu Dr. Hein!»
Dort im Wartezimmer hört' ich manche lange Stunde
Den Krankengeschichten zu, bestaunte manche Wunde:
«Hier, wo sie die Schere fühl'n, war mal mein Blinddarm drin!&rqauo;
«Ach, wie unbeschwert ich heut' ohne mein Kleinhirn bin!"»
«Na, mir hat er schon zwei Nier'n entfernt, heut' kommt die dritte!»
Da, die Tür ging auf, die Schwester rief: »Der Nächste bitte!«
Auf der Flucht klang mir moch durch die off'ne Türe nach,
Wie Dr. Hein mit der Sprechstundenhilfe sprach:


«Sein Jejunum ist gebogen und sein Nabelbein zu lang,
Sein Apendix überzogen und sein Plexus nicht in Gang,
Seine Blase geht nach oben und sein Magen geradeaus,
Seine Galle ist verschoben, und sein Knorpelfell muß raus.
Keine Angst, das ha'm wir gleich, das geht ganz schmerzlos und ganz schnell.
Bitte Schwester Ingeborg, Skalpell!»

Langsam macht' ich doch mir Sorgen wegen meiner Krankheit.
Da entdeckt' ich in dem Blatt «Die Neue Rosa Freizeit»
Zwischen «Trinkt Prinz Charles?» und «Warum lacht Fürst Igor nicht?"»
Die Adresse einer Frau, die wahrsagt und bespricht.
Der zeigt' ich mein Augenzucken, dieses unheilbare,
«Gratuliere», rief sie, «Damit wird man hundert Jahre,
Sowas hat man häufig in einer bestimmten Frist,
Wenn es Schnee gibt, man verliebt oder betrunken ist.
Erst wenn dieses Zucken ausbleibt, ha'm Sie eine Krankheit.
Jetzt entschuldigen Sie mich, ich hab' noch 'nen Haufen Arbeit.
Rufen Sie beim Geh'n gleich die nächsten Patienten rein:
Dr. Nahtlos, Dr. Sägeberg und Dr. Hein.

Das sind drei ganz erstaunliche, außerordentlich schwierige Fälle, bei denen komme ich im Verlauf der Behandlung immer mehr zu der Überzeugung:

Ihr Jejunum ist gebogen und ihr Nabelbein zu lang,
Ihr Apendix überzogen und ihr Plexus nicht in Gang,
Ihre Blase geht nach oben und ihr Magen geradeaus,
Ihre Galle ist verschoben, und ihr Knorpelfell muß raus.
Aber keine Angst, die drei, die krieg' ich auch noch durch.
Bitte Schwester Luzifer, den Lurch!»